Die Schilddrüsenfunktion gehört vermutlich zu den am meisten missverstandenen Stoffwechselthemen überhaupt:
Viele Patientin kommen zu uns und beantworten die Frage nach zuvor bestimmten Schilddrüsenwerten mit: alles in Ordnung.
Leider ist das häufig nicht die ganze Wahrheit und beruht darauf, dass die Standard Diagnostik zur Schilddrüsenfunktion in Deutschland in der Kassenmedizin allein die Bestimmung des TSH Wertes ist. TSH bedeutet 'Thyroidea (also Schilddrüse) stimulierendes Hormon'. Wenn das TSH in Ordnung ist, gehen die meisten Ärzte davon aus, dass der Rest schon stimmen wird. Manche Ärzte wollen es etwas genauer wissen (in der Privatmedizin zumindest schon mal die Standardvariante) und bestimmen fT3 und fT4. Das sind die von der Schilddrüse (SD) produzierten Hormone. Das T4 ist der Hauptteil des von der SD produzierten 'inaktiven' Hormons. Im Idealfall produziert die SD zwar auch einen kleinen Teil aktives T3, der fällt aber gegen die Menge an inaktivem T4 kaum ins Gewicht. Das hat den Sinn, das das inaktive T4 erst im Bedarfsfall vom bedürftigen Gewebe durch Abspaltung eines Jodatoms in das aktive T3 umgewandelt wird. So können die Gewebe selbst die Aufnahme von T3 steuern. Dazu hat jeder Gewebetyp Bindungsstellen (Rezeptoren) für das aktive T3, die je nach Energiebedarf an der Zelloberfläche präsentiert werden können. Mehr Rezeptoren binden mehr T3 und dann kann mehr Energie im Gewebe produziert werden. So einfach ist es erstmal...
Nun gibt es für diesen Mechanismus mehrere Fallstricke:
- Es könnte von der SD einfach nicht die richtige Menge Hormon hergestellt werden (das kann man im 'normalen' Labor durch Bestimmung von TSH, fT3 und fT4 sehen)
- Es könnte ein Problem bei der Umwandlung von T4 in T3 bestehen etwa durch eine sog. Konversionsstörung bei Problemen mit der Dejodeinase. Das kann man nur im Urin durch Bestimmung von fT3 und fT4 nachweisen.
- Es könnte Probleme bei der Bindung des fT3 am Rezeptor der Zelle geben. FT3 braucht Zink zur Bindung am Rezeptor - also kann schon Zinkmangel eine SD Unterfunktion auslösen. Um das auszuschliessen, muss man auf die richtige Art und Weise Zink hämatokritkorreliert im Vollblut bestimmen.
- Ihr Organismus könnte aufgrund von Nährstoffmangel selbst die Handbremse gezogen haben und das fT3 spiegelverkehrt produzieren, so dass es am Rezeptor bindet und diesen blockiert, aber keine Energieproduktion auslöst. Dazu bestimmt man das reverse fT3 im Blut. Dann ist es ungünstigerweise egal, ob all die vorangegangenen Schritte perfekt funktionieren.
- Es könnte eine Autoimmunerkrankung gegen die SD bestehen (häufig Hashimoto, Basedow o.ä.) - dazu müssen die Autoantikörper gegen die SD bestimmt werden
Und nun lassen Sie sich auf der Zunge zergehen, dass von alle diesen Problemen auch im Idealfall nur die allererste Variante mit einer alleinigen TSH Bestimmung gefunden werden kann!!
Wenn man sich dazu vergegenwärtigt, dass die klassischen Symptome einer SD Unterfunktion globaler Energiemangel, Kältegefühl, Verdauungsstörungen, Konzentrationsstörungen, Entgiftungsprobleme, Herzrhytmusstörungen und Übergewicht (Vorsicht: es gibt auch SD UNTERfunktionen, die mit Gewichtsverlust einhergehen meistens bei Autoimmunerkrankungen) und noch Einige mehr sind, können Sie sich selbst ein Bild machen, wie viele Menschen allein in Deutschland wahrscheinlich mit einer nicht oder falsch diagnostizierten SD Unterfunktionssymptomatik herumlaufen.
Und schrecklicherweise ist selbst bei richtig - weil anhand der Symptome und nicht anhand der Standard-Laborwerte - diagnostizierter SD Unterfunktion die richtige Behandlung noch lange nicht sicher. Denn aufgrund der Einflüsse unter den Punkten 2.-5. ist die am meisten verbreitete Therapie mit einem alleinigen T4 Medikament (wie z.B. L-Thyroxin) deutlich weniger wirkungsvoll, als etwa eine gezielte Nährstofftherapie oder eine Kombinationstherapie mit der richtigen Dosis T3 und T4, wie sie beispielsweise bei jedem Patienten nach SD Entfernung zum Einsatz kommen sollte.
Und noch nichtmal die Bestimmung von fT3 und fT4 garantiert, dass die Funktion der Hormone gewährleistet ist. Denn wie gesagt, kann schon Zinkmangel die Funktion der im Blut vollkommen normwertig vorliegenden Hormone zunichte machen. Das sieht man erst dann, wenn man als Gegenprobe zum Bluttest einen Urintest macht, bei dem die Ausscheidung der SD Hormone beurteilt wird. Denn wenn die Hormone nicht 'benutzt' werden (etwa im Zinkmangel), dann wird sehr viel mehr fT3 gebildet, weil der Organismus ja verzweifelt versucht die Organe mit Energie zu versorgen. Wenn das vermehrt gebildete fT3 durch den Zinkmangel aber nicht an der Zelle binden kann, wird es über den Urin ausgeschieden, was sich dann im Urintest durch ein Unverhältnis zwischen ausgeschiedenem T3 und T4 nachweisen lässt.
Und selbst wenn das funktioniert und kein Zinkmangel vorliegt kann ein erhöhtes reverses fT3 den Stoffwechsel ausbremsen.
Obwohl Sie vordergründig ausreichend SD Hormon T3 und T4 bilden und der TSH Wert normwertig ist (im Blut sieht also auf den ersten Blick alles OK aus), bilden Sie dabei zu viel reverses T3. Das reverse T3 ist eine spiegelverkehrte Form des normalen T3 (das ist das aktive SD Hormon). Es bindet an die Rezeptoren für T3 und blockiert den Signalweg für die Energieerzeugung in der Zelle - das bedeutet, die SD hat die Handbremse angezogen und Sie können weniger Energie produzieren.
Entsprechend kann man im Urintest sehen, dass die Umwandlungsrate von T4 zu T3 herabgesetzt ist. Während das normale T3 nach getaner Arbeit wieder aus dem Rezeptor entfernt wird, bleibt das reverse T3 im Rezeptor stecken und weil es dadurch ja so aussieht, als ob genug T3 am Rezeptor gebunden ist, wird weniger T4 in T3 umgewandelt.
Das reverse T3 besetzt dauerhaft die Bindungsstellen vom ‚richtigen‘ T3, ohne allerdings die Energieproduktion anzukurbeln, so dass die Zielgewebe des SD Hormons von der Energieproduktion her weiter heruntergefahren werden. Das betrifft so ziemlich alle Körpergewebe, aber besonders Leber, Darm und Fettgewebe und teilweise auch das Gehirn. Diese Organe können dann alle weniger Energie erzeugen, was die Funktion des Organs beeinträchtigt. Das macht sich dann als Verlangsamung des jeweiligen Stoffwechsels bemerkbar: In der Leber leidet die Entgiftung, im Muskel die Kraft (und die Wärmeproduktion) im Darm die Verdauung und im Gehirn leidet die Denkfunktion und der Antrieb, was teilweise von grauen Wolken bis zur ausgewachsenen Depression führen kann.
Ob ein Patient - im Zweifelsfall also Sie - dann langfristig oder nur für ein paar Monate ein SD Hormon braucht ist sehr unterschiedlich. Oft benötigt man aber zumindest für kurze Zeit das richtige T3, um das das ‚falsche‘ T3 aus den Bindungsstellen herauszuwaschen. Erst dann kann die Energieproduktion wieder angekurbelt werden. Das muss aber SEHR vorsichtig und NUR unter Bereitstellung der fehlenden Nährstoffe passieren.
Denn wie alles im Leben hat auch die Bildung des reversen T3 einen Sinn: Es soll während einer Zeit der Nährstoffknappheit dafür sorgen, dass durch Verlangsamung des Stoffwechsels die Speicher nicht vollständig geleert werden. Wenn der Messfühler für Nährstoffe also bemerkt, dass der Pegelstand sinkt, wird der Organismus in eine Art Winterschlaf versetzt. Dieser Zustand wird auf natürliche Weise erst aufgehoben, wenn die Speicher wieder eine Zeit lang voll sind. So wie Bäume im Frühling ja auch nicht beim ersten Sonnenstrahl ausschlagen, sondern erst abwarten, ob die Sonneneinstrahlung wirklich ausreicht, um die Triebe zu ernähren.
Da das reverse T3 eine verdrängende Hemmung des normalen T3 bewirkt, kann man nun also unter ausreichend Nährstoffgabe entweder warten, bis der persönliche Winterschlaf beendet ist, oder man beschleunigt den Vorgang etwas, indem man die Nährstoffspeicher aktiv auffüllt und gleichzeitig das reverse T3 aus dem Rezeptor wäscht. Das darf man aber auf jeden Fall nur ZUSAMMEN machen, denn das alleinige Auswaschen des reversen T3 führt SICHER ins Burn-Out und das alleinige Auffüllen der Nährstoffe würde erst nach Monaten dazu führen, dass des reverse T3 nach und nach ausgewaschen wird.
Je nach Ausgangszustand und Entwicklung der Laborwerte kann man das Auswaschen vom reversen T3 auch aussitzen. Das dauert dann eben, aber wenn man damit Leben kann, ist das völlig in Ordnung.
Die Alternative zum Aussitzen ist das Auffüllen der Nährstoffspeicher und die Einnahme eines SD Hormons, das durch Auswaschen des reversen T3 aus den besetzten Rezeptoren die Bindung des aktiven T3 und damit die Energieproduktion der Organe wieder ermöglicht.
Hierfür gibt es mehrereVarianten, die man persönlich besprechen und im Idealfall kinesiologisch testen sollte. Nach einigen Wochen und in Abhängigkeit Ihrer Symptomatik folgt dann eine Laborkontrolle, ob das Problem behoben ist.